Bar-Hopping mit Charles Schumann
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- Mar 3
- 4 min read
von Hermann Weiss
Filmemacherin Marieke Schroeder ist mit der Münchner Bar-Legende um die Welt gereist. Jetztkommt „Schumanns Bargespräche“ in die Kinos

Der Tisch ist auf die Minute frei. Marieke Schroeder wird vom Personal in „Schumanns Tagesbar“ dezent hofiert. Schnell noch ein kurzer Gruß an Pep Guardiola, der hier frühstückt, bevor es wieder nach Manchester geht. „Dann bin ich ganz bei Ihnen“, sagt Schroeder. Sie fühlt sich im Schumann-Kosmos spürbar wohl.
Welt am Sonntag: Es ist elf Uhr vormittags. Wenn wir richtige Barflys wären – was würden wir jetzt trinken?
Marieke Schroeder (zeigt auf den Tisch) Also, mit Kaffee und frischem Orangensaft sind wir ganz gut aufgestellt. Der ideale Zeitpunkt für einen Drink ist für mich die Blue Hour ab 17 Uhr. Da ist der Tag ist noch nicht ganz weg, und die Nacht ist noch nicht da.
Sie gehen gern in Bars?
Ich liebe Bars! Vielleicht nicht so wie der Filmemacher Luis Buñuel. Er ließ sich jeden Tag von seinen Co-Autoren zu seiner Lieblingsbar chauffieren, setzte sich in eine Ecke, trank einen Martini-Cocktail und schrieb 45 Minuten lang. Das war sein Deal mit sich selbst: Eine Stunde schreiben, dann wurde er abgeholt.
Okay.
Na ja, ich könnte das nicht. Ich hab’ das mal versucht, mit dem Martini, hatte kaum genippt, da war ich schon so betrunken, dass ich keinen Stift mehr aufs Papier hätte setzen können.
Für Ihren neuen Film haben Sie zusammen mit der Münchner Bar-Legende Charles Schumann zwei Monate lang die besten Bars der Welt abgeklappert. Was fasziniert Sie daran?
Die spezielle Stimmung. Dass das ein Ort ist, wo etwas passiert mit den Leuten, mehr als Essen und satt werden. Das ist wie ein Energiestaat, auch wenn sich das jetzt ein bisschen blöde esoterisch anhört, aber so ist es nicht gemeint. Und: Wir reden dabei natürlich nicht von Bars, wo man hingeht, um sich abzuschießen. Die interessieren mich nicht.
Wie haben Sie Schumann für das Projekt gewonnen?
Das hat Jahre gedauert. Als Gast im „Schumann’s“ hat er mich, denke ich, gar nicht wahrgenommen. Aber dann saßen wir eines Tages im selben Flieger nach New York, er auf dem Weg zu einem Mode-Shooting, ich wegen irgendwelcher Recherchen zu einem Film. Ich hatte damals eine schöne Wohnung in Little Italy und es stellte sich heraus, dass er praktisch um die Ecke wohnte.
Wir zogen ein paar Mal zusammen los und schon damals fiel mir auf, wie die Leute auf ihn reagierten. Egal, wo wir waren, im Café „Gitanes“ oder anderswo, sie gingen auf ihn zu. Viele haben sich überschwänglich bedankt, sagten, sie hätten die schönste Zeit ihres Lebens im „Schumann’s“ gehabt.
Das hat ihm gefallen. Mir auch. Also habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, einen Bar-Film mit mir zu machen. Er wäre doch ein guter Guide.
Und?
Er hatte keine Lust. Es wollen ja ständig Leute was mit ihm machen. Das verstehe ich. Aber ich hatte auch keine Lust, aufzugeben. Ich hab’ nicht wahnsinnig gebohrt. Aber ich habe das Projekt immer wieder erwähnt, wenn wir uns gesehen haben. Nach fünf Jahren hat er dann Ja gesagt.
Warum?
Ich glaube, der Punkt war, dass ich eine Frau bin. Bei Männern hat er Angst, dass die mit ihm trinken wollen. Charles gilt als cool. Er ist so, wie sie auch gern wären. Das ist ihm suspekt.
Im Film sagt Schumann einmal sogar, dass er Menschen hasst: „I hate people!“ Wie geht das mit dem Beruf des Barmanns zusammen?
Ich glaube, dass er damit kokettiert, dass er Menschen hasst, denn eigentlich ist er jemand, der Menschen aufsaugt, auf sie zugeht und alles über sie wissen möchte. Das geht so weit, dass er sich in Gespräche einmischt oder ungefragt dazwischenplappert. Aber genauso schnell ist er wieder weg.
Wahrscheinlich ist er genau wegen dieses Spagats Barmann geworden: Er hat ein großes Interesse an Menschen, aber er erträgt sie nicht lang. Deshalb hat er ja auch eine Bar mit einer Küche. Das „Schumann’s“ ist für ihn die totale Erlösung, weil er da immer wieder abhauen kann.
Die Bartender in Tokio und Havanna können es kaum fassen, wenn Schumann sagt, dass er seine Drinks nach Gefühl und nicht mit dem Messbecher mixt.
Er hat tatsächlich ein unheimliches Gespür für Maß! Ich trinke zum Beispiel gern Petit Punch, das ist Rum Agricole mit Zuckersirup und Zitronensaft. Aber nur, wenn Charles den macht – und wenn er ihn machen möchte. Wenn nicht, kann er nämlich auch mal schrecklich schmecken.
In New York setzt sich Schumann bei einer Bartenderin in die Nesseln, als er ihr erklärt, dass er in seiner Bar kein weibliches Personal hinterm Tresen duldet.
Ja, das hört sich blöd an, aber so apodiktisch ist es nicht gemeint. Im Lauf des Abends schlägt die Stimmung in einer Bar um, und es ist dann schon noch mal ein Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau hinterm Tresen steht. Charles weiß das. Er hat selbst Jahrzehnte hinter der Bar gearbeitet und hat das für sich gut durchargumentiert.
In einer anderen Szene, die es nicht in den Film geschafft hat, fragt Charles die Barfrau: „Du hast doch auch ein Kind, was machst du mit dem?“ Und sie: „Da kümmert sich meine Frau drum!“ Sehr lustig! Aber, nein: Charles hat nie irgendwelche stumpfen Vorurteile, sondern überprüft eigentlich alles dauernd und versucht, sich selbst und andere zu optimieren.
Haben Sie die Konzeption des Films miteinander erarbeitet?
Teilweise. Ich hatte jede Menge Archivmaterial, Filmszenen aus dem Amerika der Prohibition, in denen getrunken wird. Ein britisches Historiker-Pärchen, das sich mit der Geschichte des Trinkens und der Barkultur befasst. Das alles habe ich in dem Film gesehen – bis mir klar geworden ist, dass man keinen Film mit Charles Schumann gegen Charles Schumann machen kann. Da hat der einfach zu viel Persönlichkeit. Man will ihn sehen. Und natürlich trägt er den Film.
Wie war er vor der Kamera?
Wie alle Leute seiner Liga verfällt er schnell in eingeübte Posen. Bei ihm ist es die Model-Pose, nachdenklich, den Kopf auf die Hand gestützt. Da muss man ihn rauszwingen – und den Kameramann zwingen, länger draufzubleiben, auch wenn die Szene dann halt mal nicht optimal geframed ist.
MARIEKE SCHROEDER
Dokumentarfilmerin
Die gebürtige Regensburgerin Marieke Schroeder, 46, hat in München Kommunikationswissenschaften, Politik und Recht studiert und danach die Film Class der New York University besucht.
Für ihre Dokumentation „A Woman and a Half“ über Hildegard Knef war sie 2001 für den Deutschen Filmpreisnominiert. Sie lebt in München und hat drei Kinder.
WELT AM SONNTAG NR. 41
8. OKTOBER 2017
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